Mittwoch, 31. Dezember 2008

Der Tag der Wahrheit

Nun ist es also soweit: um 16.40 Uhr geht der Zug an den Flughafen. Noch habe ich es nicht wirklich realisiert, dass ich noch heute soweit wegfliegen werde wie wohl nur irgend möglich. Und dann auch noch an Silvester? Nun gut, das stört mich nicht wirklich. Silvester war für mich von jeher nicht so wichtig. Entscheidend war für mich, Weihnachten noch im Kreise meienr Familie verbringen zu dürfen, ob ich nun heute Nacht um 12 Uhr nachts im Flugzeug sitze oder zu Hause ein Buch lese, macht für mich wahrlich keinen Unterschied.

Dennoch, diese Reise wird wohl viel mehr, als eine blosse Forschungsreise. Ich reise zu einem neuen Kontinent, werde 6 Wochen in einer mir noch fremden Kultur verbringen und wenn ich nach Hause komme, ziehe ich aus. Der Mietvertrag ist unterschrieben, den Wohnungsschlüssel habe ich. Somit wird 2009 der Beginn eines völlig neuen Lebensabschnittes sein.

Was mir hoffentlich erhalten bleiben wird, ist der Handballsport. Momentan beinahe Zentrum meines Lebens und zuletzt Quell grosser Motivation. Ich werde das ganze Team und die ja beinahe täglichen Trainingseinheiten vermissen, irgendwo wird es aber wohl doch gut sein, einmal gänzlich abschalten zu können.

Nun, ich weiss nicht wasich noch sagen soll... Ich wünsche Euch allen nochmals einen guten Start ins neue Jahr und freue mich darauf Euch alle bald wieder zu sehen.

mit lieben Grüssen,

Christian

Dienstag, 30. Dezember 2008

Der Abend davor

Hej meine Lieben,

Danke für Euer Interesse an meiner Studienreise ans andere Ende der Welt. Ich werde versuchen, Euch auf diesem Weg auf dem Laufenden zu halten und Euch an meinen 6 Wochen teilhaben zu lassen.

Jetzt ist es 23.54 Uhr, am Dienstag, den 30.12.2008, der Vorabend der Abreise... Die wenigsten von Euch (und übrigens bis zur Planung der Reise auch ich) wussten zuvor wo Neukaledonien liegt und wohl ebensowenige werden nachvollziehen können, was mich ausgerechnet dorthin treibt. Um ehrlich zu sein: ich kann Euch keine eindeutige Antwort geben. Ausgangspunkt der Planung war, dass die Forschung im Raum Ozeanien stattfinden solle, da sämtliche vorangegangenen Projekte nach Afrika führten und wir sechs Forschenden endlich etwas Neues machen und den Schwerpunkt Ozeanien stärken wollten. Im Folgenden will ich versuchen, Euch Neukaledonien im Allgemeinen und mein Forschungsprojekt im Besonderen näher zu bringen.

Neukaledonien: (Infos und Illustrationen nach CIA The World Factbook)

Hintergrund: Besiedelt von Grossbritannien und Frankreich während der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde die Insel 1853 zu französischem Territorium. Nach 1864 diente es vier Jahrzehnte lang als Strafkolonie. Unabhängigkeitsbemühungen während der 1980er und 90er Jahre führten 1998 zur sogenannten "Noumea Vereinbarung". Diese sieht vor, über eine Zeitspanne von 15 bis 20 Jahre, steigende Regierungsverantwortung von Frankreich an Neukaledonien zu übertragen. Die Vereinbarung verpflichtet Frankreich ebenfalls dazu, zwischen 2013 und 2018 drei Referenden durchzuführen, in welchen über die Unabhängigkeit Neukaledoniens entschieden werden soll.

Grösse: 19060 km²

Bevölkerung: 225000

Ethnische Gruppen: Melanesisch: 44,1%, Europäisch: 34,1%, Wallisisch und Futunisch: 9%, Tahitianisch: 2,6%, Indonesisch: 2,5%, Vietnamesisch: 1,4%, Vanuatu: 1,1%, andere: 5,2%

Religionen: Römisch-Katholisch: 60%, Protestantisch: 30%, andere: 10%

Sprachen: Französisch (Amtssprache), 33 Melanesisch-Polynesische Dialekte

Hauptstadt: Noumea


Meine Forschung:

Hierzu erscheint es mir am Einfachsten, Euch einfach mein Research-Proposal zu zeigen, mit welchem ich meine Forschung der Uni und unterstützenden Stiftungen gegenüber vorstelle:

Research Proposal

La littérature calédonienne et la question de l´inspiration


Abstract


In meiner Feldforschung werde ich die neukaledonische Literatur untersuchen und dabei nach den Wurzeln und Inspirationen fragen, welche dieses Feld beeinflussen. Mit Wurzeln meine ich bsw. Die traditionellen Mythen und Geschichten, die Klassiker der frankophonen Literatur, aber auch Ereignisse wie z.B. die Kolonisation (1. und 2.), oder der Freiheitskampf um Unabhängigkeit von Frankreich. Hinsichtlich der Inspiration, denke ich zum einen an dieselben Dinge, wie bei den Wurzeln, andererseits aber auch an die natürliche Umwelt, Flora und Fauna, sowie natürlich das Meer.


Hintergrund und Fragestellung


Grundlegend für meine Entscheidung für dieses Thema war sicherlich die Tatsache, dass ich neben der Ethnologie Nordische Philologie und dort den Schwerpunkt Neuere Literaturwissenschaft studiere. Daraus erschliesst sich als Schnittpunkt der Interessen, das von mir gewählte Thema.


Die Frage nach der Inspiration eines Poeten beschäftigte mich schon über die gesamte Dauer meines Studiums und so bietet sich mir nun die Gelegenheit, nicht nur dieser Frage, sondern gleichermassen der daraus anschliessenden nach der Universalität dieses Phänomens. Welche Formen der Inspiration gibt es und divergieren diese in den verschiedenen Hemisphären dieser Welt?


Im gleichen Kontext bewegt sich die Frage, welche aktuell den neukaledonischen Literaturbetrieb beschäftigt: „la littérature océanienne francophone est elle une littérature française?“ Ist die französischsprachige Literatur Ozeaniens eine französische Literatur? Diese Frage werde ich bei der Suche nach und im Gespräch über Inspiration immer im Hinterkopf haben und sicherlich auch mit einheimischen Autoren diskutieren. Daneben stellt sich für mich auch die Frage nach der Einbettung der traditionellen Kanak-Kultur in Literatur und Theater, dies ist aber in der Fragestellung bereits enthalten und wird mich als Nebenprodukt der Inspirations- und Wurzelfrage begleiten.


Vorgehensweise


Es erscheint mir als offensichtlich, dass eine solche Studie nur mit den Methoden eines natural experiments durchgeführt werden kann und bis zu einem gewissen Punkt natürlich auch retrospektiv ist (die meisten Bücher wurden ja bereits geschrieben und ich glaube kaum, dass ein Autor in den 6 Wochen, in denen ich in Neukaledonien sein werde, ein komplettes Werk verfasst). Das konkrete Vorgehen wird sein, dass ich selbst neukaledonische Literatur verschiedener Epochen und Gattungen lesen werde und mich vor Ort mit einigen Exponenten des lokalen Literaturbetriebes (Schriftsteller, Verlagsmitarbeiter, Journalisten, Kritiker) unterhalten werde. Da jeder Schriftsteller zumeist auch ein exzessiver Leser ist, erhoffe ich mir sehr viel aus Gesprächen mit lokalen Autoren.


Aus diesen Gesprächen erhoffe ich mir, eine Art „Inspirationsgeschichte“ Neukaledoniens herausarbeiten zu können und die oben formulierten Fragestellungen an einzelnen Personen beantworten zu können. Für den Rest werde ich die mir zur Verfügung stehende neukaledonische Literatur auf Herz und Nieren prüfen und systematisch nach Hinweisen auf die Antworten zu meinen Fragen suchen müssen.


Ich habe beschlossen mich hauptsächlich auf die neukaledonische Lyrik (wenn auch in französischer Übersetzung), sowie Theaterstücke (sowohl den Text, als auch deren Inszenierung) zu stützen. Gerade in diesen beiden Gattungen erscheint mir die Quelle der Inspiration sowie die Verbindung zur Kanak-Tradition am deutlichsten nachweisbar.


Zur Wissenschaftlichkeit meiner Fragestellung kann ich nur sagen, dass sie wohl so wissenschaftlich wie jede Beschäftigung mit Literatur ist, mit dem Unterschied, dass dieses spezifische Feld noch nicht so ausgeprägt bearbeitet wurde; gerade darin liegt aber auch der Reiz, den ich in dieser Aufgabe sehe.


Ethische Probleme


Ehrlich gesagt, erwarte ich keinerlei ethischen Probleme. Die Themen mit denen ich mich befasse, sind schriftlich festgelegt und die Interviews finden auf gleicher Augenhöhe statt. Es kommt zu keinen Experimenten oder Tests, welche Menschen beeinflussen oder gar schädigen könnten. Mit geheimem traditionellen Wissen werde ich kaum in Berührung kommen und dass ich nichts veröffentliche, was vom Informanten abgesegnet ist, erachte ich als Ehrensache.


Veröffentlichung der Ergebnisse


Die Ergebnisse werden voraussichtlich in Form eines Forschungsberichtes veröffentlicht.


Zeitplanung


Bereits jetzt eine Zeitplanung zu erstellen für die 6 Wochen dauernde Forschung erscheint mir verfrüht. Es ist davon auszugehen, dass der Grossteil der ersten Forschungswoche zur Akklimatisation gebraucht wird. Jetlag und Eingewöhnung in die fremde Umgebung werden ihre Zeit einfordern. Wichtig wird sein, baldmöglichst mit den entsprechenden Stellen und Kontaktpersonen in Kontakt zu treten und sich früh mit diesen zu treffen.


Gut, soviel für den Augenblick. Sofern ich dazu komme, melde ich mich Morgen nochmals, ansonsten dann erst wieder, wenn ich in Noumea angekommen bin. Bis dahin: Alles Liebe, Euer Christian